PRESSEMITTEILUNG, 22.11.2019
PRESSEMITTEILUNG
IG Metall Baden-Württemberg
Stuttgart, 22. November 2019
Nr. 37/2019
15.000 Beschäftigte demonstrieren in Stuttgart für sichere Arbeitsplätze und fairen Wandel
- IG Metall-Bezirksleiter Zitzelsberger: "Alle Arbeitgeber müssen wissen - Zukunftsgestaltung geht nur gemeinsam!"
Stuttgart. Tröten und Trillerpfeifen, dazu dutzende Transparente und IG Metall-Fahnen: Rund 15.000 Beschäftigte aus Automobil- und Zulieferbetrieben in ganz Baden-Württemberg senden heute aus Stuttgart ein deutliches Signal an ihre Geschäftsleitungen: Finger weg von unseren Arbeitsplätzen! Gegen Sparprogramme auf Kosten der Belegschaften! Für sichere und gute Beschäftigung im Wandel!
"Jobabbau? Zukunftsklau? Halbschlau!" Unter diesem Motto hat die IG Metall Baden-Württemberg ab 15 Uhr zum Aktionstag gegen die angekündigten Stellenstreichungen und Sparprogramme in der Automobil- und Zulieferindustrie aufgerufen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer reisten in über 150 Bussen aus allen Teilen Baden-Württembergs und teilweise auch darüber hinaus an; mehrere Tausend kamen mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus der Region Stuttgart und verwandelten den Schlossplatz in ein rotes Fahnenmeer.
Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter IG Metall Baden-Württemberg: "15.000 Menschen vermitteln heute eine eindeutige Botschaft: Wir lassen uns nicht unsere Arbeitsplätze wegnehmen und unsere Zukunft vorenthalten, nur weil etliche Unternehmer ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben und teilweise noch mehr Rendite wollen. Wir fordern sichere Beschäftigung im Wandel und wollen unsere Zukunft mitbestimmen. Alle Arbeitgeber müssen wissen: Zukunftsgestaltung geht nur gemeinsam! Lassen Sie uns gemeinsam mit den Beschäftigten Perspektiven für alle unsere Standorte und für eine Transformation mit allen Beschäftigten entwickeln. Darum stehen wir hier, dafür kämpfen wir und wir werden so lange nicht nachgeben, bis es gute Lösungen für alle gibt."
Laut Zitzelsberger planen aktuell um die 160 Betriebe in der baden-württembergischen Automobil- und Zulieferindustrie Einschnitte, darunter Sparprogramme, Verlagerungen, Stellenabbau und Werkschließungen. Dies sei umso gravierender, da der Umbau der Arbeitswelt im Zuge von Digitalisierung und Elektromobilität erst am Anfang stehe; offenbar diene der technologische Wandel etlichen Unternehmen als Vorwand, um auf Kosten der Beschäftigten hausgemachte Probleme zu lösen.
Das bestätigen mehrere Redner auf der Kundgebung. Jörg Schwarz, Betriebsratsvorsitzender des von der Schließung bedrohten Werks ContiTech Kühner in Oppenweiler, erklärt: "Heute dieses Werk zu schließen, heißt die Transformation gegen die Menschen zu entscheiden." Obwohl die Arbeitnehmerseite ein Konzept zum Erhalt des Standorts in verkleinerter Form vorgelegt habe, halte der Arbeitgeber an der Schließung fest. Für Schwarz ist klar: "Es geht gar nicht um Transformation, sondern um Profitmaximierung. Ein erheblicher Teil unserer Produktion soll nach Rumänien verlagert werden."
Das Progress-Werk Oberkirch will auf andere Weise sparen: Vor zwei Monaten hat der Autozulieferer den Austritt am dem Arbeitgeberverband und somit Ausstieg aus dem Flächentarif erklärt, zudem sollen die Beschäftigten pro Woche unbezahlt 5 Stunden länger arbeiten. Seither kämpft die Belegschaft mit Unterstützung der IG Metall für die Rücknahme der Kündigung, "wer Wind sät, wird Sturm ernten", kündigt Betriebsrätin Eva Meier an. "Tarifflucht ist kein Kavaliersdelikt, mit dem Austritt aus dem Arbeitgeberverband entziehen sich Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung. Nein zum Tarifaustritt - dafür machen wir uns stark! "
Widerstand formiert sich auch bei Bosch: An den Standorten Stuttgart-Feuerbach und Schwieberdingen sollen in den nächsten zwei Jahren insgesamt 1600 Arbeitsplätze abgebaut werden. Frank Sell, Betriebsratsvorsitzender von Bosch in Feuerbach: "In einer der größten Wirtschaftskrisen 2008 war unser Motto: mit Allen durch die Krise. Und wir haben es damals geschafft. Heute scheint das Motto der Arbeitgeber zu sein: Personalabbau auf Teufel komm" raus." Naliandrah Sickinger, Jugend- und Auszubildendenvertreterin in Schwieberdingen, ergänzt: "Der geplante Jobabbau in unseren Betrieben trifft nicht zuletzt die Jugend. Ich frage mich, wohin mit unserem frisch ausgebildeten Fachpersonal, wenn der eigene Laden Stellen abbaut?" Statt die Lasten des Strukturwandels einseitig auf die Beschäftigten abzuwälzen und Personal abzubauen, fordern die Arbeitnehmervertreter vom Unternehmen die Entwicklung von Alternativen und Zukunftsperspektiven.
Darum geht es auch Michael Häberle, Betriebsratsvorsitzender von Daimler in Stuttgart-Untertürkheim: Dort verhandelt der Betriebsrat aktuell mit der Werkleitung über Produktions- und Fertigungsumfänge des elektrischen Antriebstrangs, das Unternehmen scheut sich allerdings bisher vor Investitionszusagen und fordert Sparbeiträge der Beschäftigten. Für Häberle ein Unding: "Wie will man denn der Zukunft begegnen, wenn man nicht bereit ist, in die Zukunft zu investieren?" Schließlich sei es die Aufgabe des Unternehmens Produkte an den Standort zu holen und für genügend Auslastung zu sorgen und "in diese Verantwortung müssen wir das Unternehmen auch nehmen." Nicht zuletzt mit Veranstaltungen wie der heutigen auf dem Stuttgarter Schlossplatz: "Wir müssen den Unternehmen, der Politik und der Gesellschaft deutlich machen, dass wir kein störender Kostenfaktor sind, den man einfach auf lange Sicht streichen kann. Wir sind der Antrieb. Ohne uns geht nichts und wer in der Frage Zukunft nicht auf uns zählt, hat sich verrechnet!"
Letzte Änderung: 22.11.2019