Arbeitsschutztag 2015
'Arbeitsschutztag der IG Metall Aalen klärt Betriebsräte über gesundheitliche Gefahren und die Folgen der Digitalisierung Industrie 4.0 auf.
OBERKOCHEN (oap) "Wir benötigen eine präventive Betrachtung", sagte Welf Schröter, Leiter des Forums "Soziale Technikgestaltung" beim Deutschen Gewerkschaftsbund, am Mittwoch beim Arbeitsschutztag der IG Metall Aalen im Oberkochener Zeiss Forum. "Wir Männer sind anfällig für Technik, ohne zu hinterfragen, was diese Technik eigentlich mit uns macht", sagte Schröter und warnte vor Vernetzung und selbstlernenden Systemen in der Arbeitswelt. Was sich augenscheinlich als großer Fortschritt und auch als Weg in mehr Bequemlichkeit anfühle, könne zu ernsthaften Gesundheitsschäden führen, erläuterte Schröter. Bereits bei der Entwicklung von vernetzten Systemen sollte darauf geachtet werden, dass Mitarbeiter ihre Arbeit weiterhin selbst gestalten könnten, ohne in einen permanenten Stress zu verfallen, weil das System Arbeitspensum und Geschwindigkeit vorgibt. Dieser Ansatz sei nur einer von vielen weiteren Gefahren, die die neuen Technologien mit sich bringen würden, warnte Schröter.
Im Gegensatz zu Schröter erläuterte Dr. Michael Totzek, Leiter der Konzernfunktion Forschung und Technologie bei der Carl Zeiss AG, eindrucksvoll und mit uneingeschränkter Begeisterung, wohin die Reise der Digitalisierung der Industrie gehen soll. Industrie 4.0 ist nicht die Digitalisierung, sondern die Vernetzung und die weltweite Verfügbarkeit der Daten in Echtzeit. Die Systeme lernen selbstständig dazu, entwickeln sich weiter und sind intelligent vernetzt. Stichworte wie "Smart Factory" oder "Smart Products" umreißen hier nur grob, wie massiv die Arbeitswelt durch die neuen Techologien verändert wird.
Beim Arbeitsschutztag versuchte die IG Metall die Betriebsräte auf dieses Thema aufmerksam zu machen, das noch wenig in den Betrieben diskutiert werde. "Das Ziel ist, Sensibilität für die Digitalisierung Industrie 4.0 zu schaffen und das Thema aus ganz verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten", sagte Gerhard Bösner, Vorsitzender des Arbeitskreises "Arbeit und Gesundheit" der IG Metall Aalen, bei der Einführung zum Arbeitsschutztag.
Matthias Holm vom Institut für Gesundheitsförderung und Personalentwicklung in Hannover warnte davor, Arbeit nur noch als produktiv anzusehen und alleine das Geld in den Vordergrund zu schieben. Arbeit müsse wieder Spaß machen. Mit dem Drängen von Mitarbeitern in die Dauernachtschicht sei der Wert "Gute Arbeit" kaum noch vorhanden, sagte Holm. Die Existenzangst sitze den Menschen im Nacken. Durch die Angst vor Arbeitslosigkeit und Hartz IV würden sich die Kolleginnen und Kollegen lieber "kaputt arbeiten" anstatt auf die Gesundheit zu achten und zu überlegen, wie man es anders machen könne, so Holm. "Hier müssen die alten Werte der Humanisierung der Arbeit wieder hervorgeholt werden", ergänzte Schröter. Es gelte innezuhalten und darüber nachzudenken, wie interveniert werden könne.
"Die Vernetzung birgt noch weitere Gefahren", meinte Josef Mischko, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Aalen. Er freue sich, wenn das Arbeitsumfeld besser werde. Es sei schon toll, wenn man weltweite Videokonferenzen machen könne und damit Reisezeiten und -kosten spare. Doch durch die Bereitstellung von Daten in Echtzeit könnten andere Standorte auf der Welt die Produktion oder auch Verwaltungsaufgaben, wie das Rechnungswesen, genauso übernehmen. Die Gefahr des Verlusts von Arbeitsplätzen in Deutschland dürfe nicht unterschätzt werden, warnte Mischko. Es gelte, wieder den Menschen in den Vordergrund zu stellen, der die Technik nutzt und nicht die Technik als Herrscher über den Mitarbeiter zu stellen.
Letzte Änderung: 29.11.2015