Internationaler Frauentag 2011

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05.03.2012 Christiane Benner vom Vorstand der IG Metall: "Von echter Gleichstellung von Männern und Frauen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind wir noch ein großes Stück entfernt."

Einen bemerkenswerten Vortrag von Christiane Benner hörten die Gäste des ersten Arbeitnehmerinnen-Empfangs der IG Metall Aalen und Schwäbisch Gmünd am 3. März 2012 im Augustinus-Gemeindehaus in Schwäbisch Gmünd. Christiane Benner ist seit Oktober 2011 im geschäftsführenden Vorstand der IG Metall für die Frauen- und Gleichstellungspolitik zuständig. Seit dem ersten Internationalen Frauentag vor 101 Jahren sei viel erreicht worden, erläuterte Benner, doch immer noch gäbe es viele Defizite bei der Gleichstellung von Männern und Frauen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Aus dem breiten Spektrum frauenpolitischer Forderungen der IG Metall griff Benner drei heraus, die unmittelbar mit der Arbeitswelt zu tun haben.

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"Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit ist eine uralte Forderung der Frauenbewegung." Immer noch bestehe zwischen den Einkommen von Männern und Frauen eine Lücke von 23 Prozent, sagte Benner. In Baden-Württemberg betrage die Lücke sogar 28 Prozent. Um auf diese Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen, hat sich ein Bündnis gegründet, das jedes Jahr den Equal-Pay-Day begeht. In diesem Jahr ist das am 23. März. Dieser Aktionstag für gleiche Bezahlung von Männern und Frauen ist immer an dem Tag, bis zu dem Frauen über das Jahresende hinaus arbeiten müssen, um den Verdienst der Männer aus dem Vorjahr zu erreichen. Entgeltgerechtigkeit sei ein Kernthema der Arbeit von Betriebsräten, Vertrauensleuten und der IG Metall. Um das hinzukriegen, müsste Transparenz in den Betrieben hergestellt werden. Dies sei zwar ein heikles Thema, doch die Kolleginnen müssten über die Eingruppierungskriterien aufgeklärt werden. In den Betrieben müsse analysiert werden, wie hoch die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen seien. "Wir wollen gleiches Geld für gleichwertige Arbeit. Wenn Männer und Frauen den gleichen Job machen, haben sie das gleiche Entgelt zu bekommen - basta", rief Benner den Frauen kämpferisch zu und erntete frenetischen Beifall.

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Durch schlecht bezahlte und unsichere Arbeitsverhältnisse gehe die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander, schimpfte Benner. Das Bittere sei, dass sich im unteren Teil der Gesellschaft überwiegend Frauen wiederfinden würden. Das liege auch an den vielfältigen Formen prekärer Arbeit. Arbeit, die so schlecht bezahlt sei, dass der Staat den Beschäftigten mit Aufstockung zur Seite springen müsste, so Benner. Benner sprach sich für einen Mindestlohn aus; von dieser Lohnuntergrenze würden in erster Linie Frauen profitieren.

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Gleichstellung von Männern und Frauen im Erwerbsleben habe auch ganz entscheidend mit folgender Frage zu tun: Wie steht es mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Leben? Das Familienpflegezeit-Gesetz sei leider wieder kein Gesellenstück Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, meinte Benner. Das Gesetz gehe vollkommen an der Realität vieler erwerbstätiger Menschen vorbei, da es ein Einkommen zum Auskommen voraussetze. Doch viele Frauen hätten nicht einmal eine Vollzeitstelle. Kaum eine Kollegin könne sich eine vorübergehende Entgeltkürzung leisten, sagte Benner. In Deutschland gäbe es beschämend geringe Ausgaben für Kinderbetreuung und gleichzeitig steuerliche Fehlanreize durch das Ehegattensplitting, mit dem es lukrativ würde, dass ein Eheteil weniger verdiene. Die Wissenschaft spreche hier von vergifteten Steuergeschenken, erklärte Benner. "Diese Geschenke sollten wieder eingepackt und zurück an Ursula von der Leyen und Kristina Schröder geschickt werden. Das brauchen wir nicht!", rief Benner.

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Auch beim Frauenanteil in Führungspositionen der Unternehmen habe sich kaum was getan. Frauen in Führungspositionen seien noch immer die Ausnahme in Deutschland. 2010 waren 3 Prozent der Vorstandsmitglieder in den 200 führenden deutschen Unternehmen weiblich. In den 30 DAX-Unternehmen saßen den 182 männlichen Vorstandsmitgliedern gerade mal vier Frauen gegenüber. Deutschland sei in Sachen Frauenförderung Nachzügler, bemerkte Benner. Andere Länder hätten die Frage längst gesetzlich geregelt. So müssten in Norwegen Aufsichtsräte zu 40 Prozent mit Frauen besetzt sein. Auch Frankreich habe seinen Unternehmen ab 2016 diese Quote verordnet, sagte Benner. "Die Zeit ist reif, dass es zur Normalität wird, dass Frauen führen." Die schlechten Ergebnisse nach zehn Jahren freiwilliger Selbstverpflichtung der Unternehmen seien ernüchternd. Deshalb fordere die IG Metall eine gesetzliche Frauenquote für Vorstände und Aufsichtsräte, sagte Benner.

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Betriebsräte könnten regelmäßig einen "betrieblichen Gleichstellungsbericht" von der Geschäftsführung einfordern, das disee jährlich dazu verpflichtet sei. Damit könne zumindest schnell konkret werden, wie es in einem Betrieb mit der Frauenbeschäftigung und der Frauenförderung bestellt sei. Letztlich gehe es auch darum, dass sich oben etwas tun müsse, damit sich unten etwas bewege. Wenn es keinen Druck gebe, Frauen in Führung zu beschäftigen, würde es auch schwieriger, Frauen für mittlere Positionen zu bekommen, meinte Benner und fügte hinzu: "Gute Personalentwicklung hat die Förderung von Frauen auf allen Unternehmensebenen im Blick." Es gehe nicht darum, den Beschäftigten ein Lebensmodell aufzuzwingen, meinte Benner. Sie respektiere zutiefst, wenn sich eine Frau gegen eine Karriere entscheiden würde, aber sie akzeptiere es nicht, dass Frauen keine Möglichkeit einer Karriere geboten werde. Was sie fordere, seien notwendige individuelle Ressourcen und die erforderlichen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. "Frauen sollten eine echte Wahlfreiheit haben", wünschte Benner.

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Sie rief alle Teilnehmnerinnen auf, den Aktions- und Werbemonat März zu nutzen, um neue Kolleginnen für die IG Metall zu gewinnen. So könne ein kraftvolles Zeichen für die anstehende Tarifrunde gesetzt werden. Christiane Benner beendete ihre Rede mit den Worten: "Wie die nächsten 100 Jahre aussehen und wie in 200 Jahren über uns geredet wird, das haben wir in der Hand, liebe Kolleginnen. Geschichte wird gemacht. Auch in Aalen und Schwäbisch Gmünd. Auch von euch. Von jeder einzelnen Frau."

Der Text der Rede von Christiane Benner kann hier heruntergeladen werden.

Letzte Änderung: 05.03.2012