Klartext
Leitzinserhöhung - Kollektivstrafe für Euroraum
Nun werden die geldpolitischen Zügel wieder straffer gezogen. Aus Furcht vor einer aufkeimenden Inflation haben die Mitglieder der Europäischen Zentralbank (EZB) die Zinsschraube angezogen. Eine Leitzinserhöhung um 25 Basispunkte auf nunmehr 1,25 Prozent soll nach Meinung der Währungshüter die Preise in der Eurozone in ruhigere Gewässer leiten. Dabei ist die Inflation im Euroraum mit 2,6 Prozent und in Deutschland mit 2,1 Prozent nicht Besorgnis erregend.
Fakt ist: Diese Leitzinserhöhung wird letztendlich mehr schaden als nutzen. Die Zinserhöhung würgt das zarte Wachstum in der Eurozone ab. Die Kreditbeschaffung wird erschwert und Investitionen werden verteuert. Zudem sehen sich die Krisenländer durch den Zinsschritt höheren Refinanzierungskosten gegenüber. Am Ende erscheint der Kollaps dieser Länder wahrscheinlicher denn je.
Damit nicht genug: Die Zinspolitik der EZB verfehlt ihr angestrebtes Ziel, die Preisstabilität zu kontrollieren. Ein Großteil der Preisänderungen beruht auf Bedingungen, die die EZB nicht steuern kann. Dass die Preise in den letzten Monaten anzogen, hat nichts mit einer konjunkturellen Überhitzung oder mit Zweitrundeneffekten zu tun. Zum einen ist die Eurozone von einem robusten Wirtschaftswachstum weit entfernt. So treten die Volkswirtschaften der Eurozone - Deutschland ausgenommen - mit einem Wachstum von gerade einmal 0,6 Prozent nahezu auf der Stelle. Allein Deutschland kann mit voraussichtlich 2,7 Prozent Wachstum eine konjunkturelle Erholung vorweisen. Zum anderem fielen auch die Lohnsteigerungen in der Eurozone verhalten aus. Die von vielen Ökonomen befürchtete Lohn-Preis-Spirale ist somit nicht zu erwarten. Die gesamtwirtschaftlichen Preissteigerungen gehen allein auf Faktoren von außen zurück - etwa auf teurer gewordene Energie, Rohstoffe und Lebensmittel. Die hiesige Kerninflationsrate, also die Preisentwicklung ohne importabhängige Komponenten wie Energie und Lebensmittel, beträgt lediglich 1,2 Prozent. (siehe Abbildung)
Der EZB sind bei der Eindämmung der Inflation die Hände gebunden. Die Preisbildung an den Rohstoffmärkten kann die EZB mit ihrer Zinspolitik nicht beeinflussen. Zudem verursachen die politischen Unruhen in den Arabischen Ländern Lieferengpässe.
Diese Zinsentscheidung ist kontraproduktiv und gleicht einer Kollektivstrafe für alle Euroländer. Eine Verstärkung der ökonomischen Ungleichgewichte innerhalb Europas ist programmiert. Erst wenn alle Volkswirtschaften der Eurozone den Wachstumspfad eingeschlagen haben, ist eine Zinswende angemessen. Vorher nicht!
Quelle: Klartext 13/2011
Letzte Änderung: 09.04.2011