Mehr zur Sozialkonferenz in Heubach
HEUBACH (jo) - Mit einer Sozialkonferenz in der Heubacher Stadthalle läuten die IG Metall Verwaltungsstellen Aalen und Schwäbisch Gmünd den "heißen Herbst" der IG Metall ein.
Rund 170 Teilnehmer aus mehr als 50 Betrieben haben am Mittwoch an der ersten Sozialkonferenz der IG Metall Verwaltungsstellen Aalen und Schwäbisch Gmünd in der Heubacher Stadthalle teilgenommen. Diese Konferenz sei längst überfällig gewesen, sagte Josef Mischko, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Aalen.
Roland Hamm, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Aalen und Schwäbisch Gmünd, freute sich über die rege Teilnahme und das echte Interesse der Teilnehmer. Die Sozialkonferenz sei die Auftaktveranstaltung zum "heißen Herbst" der IG Metall, bei dem unter anderem gegen das Sparpaket der Bundesregierung protestiert werden soll.
In den Köpfen der Bevölkerung sei die Krise schon beendet, doch die Wirklichkeit in den Betrieben sehe anders aus, warnte Hamm. Der Aufschwung werde hauptsächlich mit Leiharbeitern bewältigt. Deshalb will die IG Metall erreichen, dass der Anteil der Leiharbeit in den Betrieben begrenzt wird zugunsten von Festeinstellungen. Dies sei beispielsweise bei der Firma ZF Lenksysteme iin Schwäbisch Gmünd schon gelungen. Hier sei der Anteil der Leiharbeit bei einem Prozent der Stammbelegschaft gedeckelt, sagte Hamm.
Eine große Sorge, so Hamm, bereite ihm der so genannte Facharbeitermangel, der von den Unternehmern beklagt werde. Denn gleichzeitig sei festzutellen, dass die Ausbildungsquote kontinuierlich sinke. "Allein im Altkreis Aalen sind in den letzten fünf Jahren 100 Ausbildungsplätze verschwunden," wetterte Hamm. Auch die Übernahme der Auszubildenden erfolge nicht + automatisch. "Wer in Zukunft qualifizierte Fachkräfte will, muss für ihre Ausbildung sorgen und sie später auch unbefristet übernehmen!" rief Hamm den anwesenden Funktionären zu und erntete uneingeschränkten Beifall.
Einen Überblick über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik und speziell in Baden-Württemberg gab Wilfried Kurtzke vom IG Metall-Funktionsbereich Wirtschaft, Technologie, Umwelt. Die Krise habe im Gegensatz zu vorherigen Krisen wirklich die gesamte Welt erfasst, meinte Kurtzke. Ein Rückfall sei nicht ausgeschlossen. Der starke Aufschwung in Deutschland sei fast nur vom Export abhängig. Zu einem gesunden Wachstum gehöre jedoch die Ankurbelung des privaten Konsums. "Im Prinzip stehen wir wieder genau so da wie vor der Krise," sagte Kurtzke und warnte vor einer neuen Blase. Die falsche Logik bei der Sparpolitik werde die Staatsverschuldung nach oben treiben. Mit Steuersenkungen habe sich der Staat arm gemacht, erklärte Kurtzke und forderte einen radikalen Kurswechsel.
Zur aktuellen Sozialpolitik und den geplanten Reformen der Bundesregierung sprach Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall. Für ihn seien drei Bereiche besonders im Fokus, sagte Urban und forderte er ein NEIN zur Sparpolitik, NEIN zur Rente mit 67 und sichere Perspektiven für die Jugend. Die Krise habe nicht mit dem Zusammenbruch einer Bank begonnen, sondern mit dem Siegeszug des Neo-Liberalismus. Bevor man über die Details der Gesundheits- oder Rentenpolitik reden könne, müssten zuerst die Ursachen bekämpft werden. "Im Grundgesetz steht: Alle Gewalt geht vom Volke aus, da steht nicht: alle Gewalt geht vom Finanzmarkt aus," rief Urban den Gästen zu und sprach weiter von einer "perversen Logik des Finanzmarktkapitalismus".
Das Sparpaket richte sich vordergründig vor allem gegen Langzeitarbeitslose. Es sehe die Streichung des Übergangszuschusses beim Arbeitslosengeldes II vor sowie die Streichung des Elterngeldes für Arbeitslose. Gut und besser Verdienende hingegen hätten weiterhin Anspruch auf den Elterngeld-Grundbetrag von 300 Euro. Das sei keine soziale Ausgewogenheit, schimpfte Urban, sondern soziale Kälte.
Die Kürzungen im sozialen Bereich seien unter anderem deswegen notwendig geworden, weil 100 Milliarden Euro an die Hypo Real Estate geflossen seien, so Urban. Der DGB habe Vorschläge gemacht, wo gespart werden könne. Es mangele nicht an Alternativen, sondern am politischen Willen, die Alternativen durchzusetzen, so Urban weiter. Neben dem Verzicht auf Kürzungen im Sozialbereich forderte Urban Equal Pay für Leiharbeiter. Insbesondere bei Berufseinsteigern werde die Leiharbeit zunehmend als Instrument der Unterschreitung tariflicher Standards missbraucht, so Urban. "Vier Vorstände der Energiekonzerne können die Regierung in die Knie zwingen. Wir sind doch viel mehr!", rief Urban und forderte die Teilnehmer der Sozialkonferenz auf, die Belegschaften in den Betrieben zu mobilisieren und gemeinsam am 13. November in Stuttgart zu demonstrieren:
- Gegen die falsche Sparpolitik der Bundesregierung
- gegen eine Rente mit 67, die nur das Ziel habe, das Rentenniveau zu senken,
- gegen eine Gesundheitspolitik, die gegen das Paritätsprinzip verstoße und
- für sichere Perspektiven für die Jugend.
Christa Cheval-Sauer berichtete von ihren Erfahrungen bei der Beratung von Arbeitslosen und Hartz IV-Empfängern. Die Hartz-Gesetzgebung habe durchgesetzt, dass Arbeitslose jede Arbeit zu jedem Preis annehmen müssten. Dies habe den Niedriglohnsektor stark ausgeweitet und verstärke den Druck auf Tarifstandards. Ein Grund mehr, dem Sparpaket die rote Karte zu zeigen.
Fotos: Joachim Ostowski
Letzte Änderung: 22.10.2010