Partnerschaft Aalen und Ravenna

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04.05.2009 Kurzarbeit auch in der Partnerregion Ravenna: Wer kann von 700 Euro schon leben? Edgardo Farolfi von der Metallgewerkschaft FIOM im Gespräch Joachim Ostowski.

AALEN (jo) - Edgardo Farolfi, Sekretär der Metallgewerkschaft FIOM, war im April zu Gast bei der IG Metall Aalen. Er ist bei der FIOM, die zu den drei größten Gewerkschaften Italiens zählt, für die Provinz Ravenna zuständig. Wir nutzten die Gelegenheit, ihn zu fragen, welche Auswirkungen die Wirtschaftskrise in Italien hat und wie Betriebe, Gewerkschaften und Regierung die Krise meistern wollen.

Edgardo, deine Gewerkschaft FIOM und die IG Metall Aalen sind eine Partnerschaft eingegangen. Wie sieht diese Partnerschaft aus und was nutzt sie euch?

Seit mehr als zwölf Jahren gibt es einen regen Austausch zwischen unseren Gewerkschaften. Vor allem im Rahmen der europäischen Einigung müssen wir uns auch über Grenzen hinweg verständigen. So schauen wir uns beispielsweise die verschiedenen Tarifverträge an oder veranstalten Seminare, in denen wir soziale Themen der Länder beleuchten und versuchen voneinander zu lernen. Der Ostalbkreis und die Provinz Ravenna sind Partnerkreise. Da lag es auf der Hand, dass sich auch die Metallgewerkschaften auf einer partnerschaftlichen Ebene austauschen.

Wie sieht momentan denn die wirtschaftliche Situation speziell in der Provinz Ravenna aus?

Die Situation in Italien ist sehr dramatisch. Das hat mehrere Gründe. Zum einen besteht in der Provinz Ravenna die Industriestruktur im Metallbereich aus vielen Kleinbetrieben mit durchschnittlich 20 Beschäftigten. Diese Betriebe haben in der Krise kaum oder keine Reserven. Zum anderen zögern die Banken mit Kreditvergaben, da die Sicherheiten meist nicht ausreichen. Ein weiteres Problem ist, dass mittlerweile fast jeder dritte Arbeitnehmer in der Metallindustrie der Provinz Ravenna in Kurzarbeit ist.

Die Regelungen für Kurzarbeit sind in Italien sehr lückenhaft. So gibt es für alle Industriebetriebe die so genannte ordentliche Kurzarbeit. Sie kann zwar für 52 Wochen im Jahr angemeldet werden, aber immer nur für einen Zeitraum von drei Monaten. Als Kurzarbeitergeld gibt es laut Gesetz 80 Prozent vom Brutto-Monatslohn, jedoch höchstens 836 Euro bei einem Monatslohn bis zu 1970 Euro. Wer vorher mehr verdient hatte, erhält höchstens 1005 Euro. Von diesen Beträgen werden dann noch Sozialabgaben und Steuern abgezogen, so dass die meisten Kurzarbeiter nur noch etwa 700 Euro pro Monat erhalten. Wer soll davon leben können?

Noch schlimmer sieht es bei den Handwerksbetrieben aus. Sie können insgesamt nur für drei Monate Kurzarbeit beantragen. Unsere Auszubildenden haben übrigens keinen Rechtsanspruch auf Kurzarbeit, genauso wenig wie die befristet Beschäftigten.

Wie versucht die Regierung die Lage in den Griff zu bekommen?

Nun, die Regierung macht sehr wenig. Das liegt mit daran, dass Italien sehr hoch verschuldet ist. Deshalb wurden auch schon die öffentlichen Ausgaben in den Bereichen Bildung und Gesundheit gekürzt. Durch diese Kürzungen gibt es aber in diesen Bereichen Beschäftigungsprobleme. Wenn die Regierung mehr Gelder für einen Bereich ausgibt, dann muss es einem anderen Bereich weggenommen werden. Berlusconi erscheint als Retter und versucht zu motivieren, indem er die Krise schönredet. Dabei verschleiert er die Wahrheit.

Und was sagt die Bevölkerung dazu?

Eine starke Minderheit macht sich große Sorgen. Nach der Krise werden die Weichen gestellt. Dann sind Innovationen und Fachkräfte gefragt. Wer hier nicht mehr mithalten kann, wird aufs Abstellgleis fahren. Das wird kaum diskutiert, und es gibt nur wenige Firmen, die an die Zeit nach der Krise denken. Wir können froh sein, dass es in Italien noch die großen Familienstrukturen gibt. Die Familien halten zusammen und helfen sich gegenseitig. In den Städten sieht das ganz anders aus. Hier kämpfen schon viele ums nackte Überleben.

Was sind eure Forderungen als Gewerkschaft und wie versucht ihr, den Kollegen zu helfen?

Wir haben einen Forderungskatalog aufgestellt und verhandeln mit Arbeitgebern, der Stadt und der Region. Es darf keine Kündigungen geben. Dafür soll die Kurzarbeit ausgedehnt werden. Wir fordern eine öffentliche Unterstützung von Betrieben, die sich dazu bereit erklären, die Beschäftigung zu sichern und/oder Forschung, Entwicklung oder Produktinnovationen betreiben. Außerdem fordern wir eine Steuersenkung für Menschen mit niedrigen Einkommen. Ein weiterer, sehr wichtiger Punkt ist die Verschiebung oder Stundung von monatlichen Belastungen. Gerade bei Menschen, die unverschuldet in Kurzarbeit sind, ist das wichtig. Sie können mit dem wenigen Geld ihre Raten oder Hypotheken nicht mehr zahlen.

Danke für das Gespräch, Edgardo, und viel Erfolg für deine Arbeit.

Letzte Änderung: 30.04.2009